Texte

Michael Braunsteiner

Dieter Preisl
Bilder und Faltobjekte

Dieter Preisl, Schüler von Max Weiler und Arnulf Rainer, ist seit zwei Jahrzehnten vorrangig auf dem Gebiet der Malerei tätig. Phasenweise wurde von ihm die Fotografie in die Malerei einbezogen. Parallel dazu lässt Preisl seit 1991 auch als Musiker aufhorchen. Er spielt einerseits in einer Rock- & Pop-Band, andererseits in einer Band, wo frei improvisiert wird. Er produziert auch eigene, mit seinem Moog-Synthesizer und aus Samples generierte Musik. Zu seinen Klappbild-Performances mit Live-Musik fertigt er eigene Videos. Unabhängig davon kreiert er Videos zusammen mit seinem Künstlerkollegen Martin Kaltner.

Der vorläufige Höhepunkt von Dieter Preisls kontinuierlicher Auseinandersetzung mit Fragen der Malerei lässt sich in den aktuellen Werken in der Erweiterung und Ausdehnung des Raumbegriffes ausmachen. Preisls künstlerische Arbeit teilt sich in zwei Bereiche: Malerei und Faltobjekte. In seiner Malerei erzeugt er durch Überlagerungen von längsrechteckigen Farbflächen und aus Strichmustern komponierten Farbfeldern Interferenzphänomene und die Illusion von Raumtiefen. Seine Faltobjekte bieten mannigfache Möglichkeiten raumgreifender Entfaltungen, sind selbst variable Skulpturen mit nach methodisch-konzeptuellen Aspekten bemalten Flächen.

In den Bildern werden die Farben – schnell trocknendes Acryl, darüber Eitempera – mit breitem Pinsel in 3 bis 17 Schichten auf die Leinwand aufgetragen. Die Wahl der Farben der verschiedenen Schichten erfolgt in Einzelwerken nahezu bis an die Grenze zum Harmonischen, dann wieder sperrig und konventionelles ästhetische Empfinden störend.
Das kontemplative, fast automatisierte getupfte Farbauftragen vollzieht sich innerhalb eines Spektrums zwischen lasierend und deckend. Preisl konstruiert seine geometrischen Kompositionen aus geschichteten Rechteckformen, die plan oder gewölbt sein können. Wie ein Leitmotiv ziehen sich auch Rechtecke durch sein malerisches Werk, die sich an planen oder im Raum gebogenen DIN A 4-Blätter orientieren. Das strenge Einhalten dieser Grundprinzipien verleiht der Malerei Preisl ihren architektonischen Charakter.

Durch Versetzen des Auftragswinkels der parallelen Strichfolgen in den jeweils nächsten Schichten zu den darunter liegenden kommt es zu den typischen Interferenzmustern, Überlagerungen, Verdeckungen und bisweilen zu unbemalten Freiflächen, die von größter Bedeutung für die Komposition sein können. In gewissen Bildern wird durch Parallelstrukturen oder nur leichte Winkeländerungen der diversen Schichten zueinander eine eher statische gerahmte Wirkung erzielt. Jedoch lässt sich in der aktuellen Malerei Preisls eine wachsende Verspreizung, Bewegung und Krümmung der Kompositionselemente bemerken. In Verbindung mit dem Rahmen sprengenden Versetzen der geometrischen Strukturen nach außen hin wird so eine spannungsvolle Dynamik erzielt und vermehrt der Eindruck von beschleunigter Bewegung im Raum evoziert.

In den Malereien gibt der Künstler durch Bildtitel Hinweise auf den Ursprung der Bildidee. In seinen Faltobjekten verzichtet er grundsätzlich auf Betitelungen.

Die Faltobjekte entstehen, indem Preisl Mollino beidseitig auf Malkarton kaschiert. Die einzelnen Seiten werden, einer komplexen Systematik folgend, mit Leinen gebunden. Erst danach werden sie im Zuge eines Falt- und Blätterprozess mit Acryl bemalt.
Im geschlossenen Zustand haben die fertigen Faltobjekte Buchform. Durch ihre mannigfaltigen Ent-Faltbarkeiten können immer neue, mehr oder weniger raumgreifende Objekte geschaffen werden. Welche Möglichkeiten an „topologischen Transformationen“, wie Dieter Preisl sie nennt, uns die Faltobjekte bieten, demonstriert der Künstler bei Vernissagen im Zuge von Performances mit eigener Life-Musik. Dazu wird ein Video kreiert, das in der Ausstellung als Videoinstallation gezeigt wird. Die Grenzen zwischen Malerei, Skulptur, Performance, Musik und Medienkunst werden überschritten, die diversen künstlerischen Medien miteinander verzahnt. Von einem Faltobjekt werden Multiples im Siebdruck-Verfahren hergestellt. In verschieden Positionen aufgestellt, machen sie den variablen Charakter der Objekte bewusst. Im Betrachter können Preisls Faltobjekte den Denk- und Fühlraum irritieren und erweitern.

Durch sein konsequentes Erforschen neuer Territorien nimmt der „Composer“ Dieter Preisl innerhalb der österreichischen Kunst eine eigenständige und wichtige Position ein, indem er einerseits Zielsetzungen aktueller Malerei auf hohem Niveau weiter verfolgt, andererseits die Möglichkeiten neuer Medien in diese Fragestellungen mit einbezieht.

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Georg Pichler

„Die Farbflächen der Bilder auf Leinen werden in rhythmischer Arbeitsweise in mehreren Schichten aufgetragen, so weit und so dicht, daß deren Konturen und Grate mal mehr, mal weniger deutlich sicht- und spürbar sind. Und sind die Flächen sozusagen dermaßen „voll“, „reduziert“, „verdichtet“, folgt die kontemplative Arbeit der gleichmäßig- freihändig gezogenen Striche (in etwa Millimeterabständen) darüber, wodurch die Bilder jenachdem eventuell dicht gemacht oder, wie mir scheint, verschleiert werden sollen. Und obwohl die Methoden, die Dieter Preisl hier verwendet, mechanisch und einsichtig erscheinen können, beziehen die Bilder ihre ganz eigene Ausstrahlung von einer Art mythischen Kraft, die ihnen wohl während der Arbeit irgendwie verliehen worden sein muß. Alle Bilder Dieter Preisls scheinen mir, obwohl sie nichts erzählen wollen, nichts figürliches, gegenständliches dargestellt wird, beseelt, so als seien sie genaue, kongeniale Dokumente des Seins……. “